Unsere Reise beginnt in Vancouver. Das hat den Vorteil, dass der
Ausgangspunkt bequem mit einer Internationalen Fluglinie erreicht werden
kann, und außerdem sollten wir uns, bevor wir in die Wildnis starten, noch
einmal so richtig die Zivilisation um die Nase wehen lassen. |
1. Tag
Schon einmal in
Vancouver, sollten wir
uns diese Stadt vor unserer Abreise richtig ansehen, denn sie ist nun
einfach die Perle am Pazifischen Ozean. Nicht nur schön gelegen zwischen
Meer und Bergen, hat sie auch als Stadt Charakter und einen einmaligen
Charme.
Wir setzen uns also nach dem Frühstück ins Auto und beginnen mit unserer
Stadtrundfahrt. Bei schönem Wetter ist ein Besuch des Harbourtower bestimmt
ein Muss. Von hier oben haben wir die Möglichkeit, die Stadt und ihre
herrliche Umgebung einmal aus der Vogelwelt zu betrachten. Es werden auch
die umliegenden, markanteren Gebäude erklärt, wie z.B. das große Sport
Stadion, dessen Dach erst kürzlich eingebrochen ist, mit dem kleineren
Bruder daneben, der übrigens immer noch größer ist, als das Hallenstadion in
Zürich, die Canada Plaza, die den Handel mit den übrigen Erdteilen
symbolisieren soll, im Hintergrund der Stanley Park usw. |
Abendstimmung bei Vancouver
(Bild von Thomas Schmidtkonz) |
Anschließend fahren wir zum Stanley Park. Diese 405 Ha
große Halbinsel wurde im Jahre 1888 von einem Gouverneur Namens Stanley an
die Stadt Vancouver zu einem symbolischen Dollar verkauft. Es handelt sich
bei diesem Lord Stanley um dieselbe Person, nach der auch der Stanley
Eishockey Cup benannt wurde. Die Stadt hat die Halbinsel gekonnt in zwei
Hälften geteilt. Da ist zunächst der bebaute Teil mit Aquarium, Zoo und
diverse Sportanlagen. In diesem Teil finden wir auch die weltberühmten
Totempols, die man ja fast auf jeder Postkarte Vancouvers findet.
Die andere Hälfte der Halbinsel wurde als Naturpark mit seinem uralten
Regenwald belassen. In seinem Dschungel wurden ca. 80 km Wanderwege
angelegt. Hier fühlen sich auch die typischen schwarzen Eichhörnchen und
Waschbärchen wohl, und wir finden bestimmt ein ruhiges Plätzchen, wo wir
unser mitgebrachtes Picknick verzehren können.
Auf der ca. 10 km langen Umfahrungsstraße der Halbinsel finden wir schöne
Aussichts-Parkplätze, die uns immer wieder andere Ansichten auf die Stadt
gewähren. Von hier aus können wir auch auf die bekannte Lions Gate Bridge
hinuntersehen. Diese für die Stadt lebenswichtige Brücke wurde von der
Guiness-Familie erbaut, da die Stadt selber nicht über die nötigen Mittel
verfügte. Zuvor musste man von einem Stadtteil zum anderen mittels eines
umständlichen Fährbetriebes gelangen, wollte man nicht eine größere
Umfahrung der Bay in Kauf nehmen. Bei der Guiness-Familie handelt es sich
übrigens um dieselbe Familie, die man auch mit dem Guiness Bier, oder aber
auch dem Buch der Rekorde in Verbindung bringen muss. Die Familie hat die
Brücke mit einem Zoll belegt, und als die Baukosten getilgt waren, wurde sie
großzügig an die Stadt verschenkt. Ein schönes Denkmal, fürwahr.
Danach besuchen wir die Chinatown. Zwar ist ganz Vancouver eigentlich so
ziemlich in Chinesischen Händen, denn als Hongkong wieder Chinesisch wurde,
haben sich viele Hongkong Chinesen abgesetzt, und da sowohl Hongkong, als
auch Kanada zum Commonwealth gehören, bot sich diesen Leuten eine
vereinfachte Immigration nach Vancouver direkt an. Nun, Chinatown ist
allerdings noch etwas Chinesischer, als die übrige Stadt. Dieser Stadtteil
ist überfüllt mit Menschen, hupenden Autos und einem wilden Wirrwar von
Geschäften aller Art. Die Gehsteige sind mit den Auslagen der Geschäfte
verstellt, sodass sich der Fußgängerverkehr kaum fortbewegen kann, und vor
allem im Lebensmittelbereich werden Dinge angeboten, von denen wir kaum eine
Ahnung haben, was es überhaupt ist. Lebende, halblebende und tote oder gar
getrocknete Tiere, hundertjährige, kohlrabenschwarze und stinkende Eier,
Wurzeln und fremdländische Gemüse, Früchte, die so widerlich schmecken, dass
wir sie wohl kaum essen möchten, das alles finden wir in den Angeboten, in
denen die Chinesen mit lautem Geschnatter herum pfoten. Denn nur was zuerst
zig-mal angefasst, und das Unterste nach Zuoberst gedreht wurde, nur das
schmeckt. Nun, man sollte auch dies einmal gesehen haben, aber wir verlassen
diesen übel riechenden Ort dann doch gerne wieder.
Das nächste Ziel ist die Altstadt mit seinem berühmten Gaslampenquartier.
Das mit roten Ziegelsteinen gepflasterte, und mit blumengeschmückten
Gaslaternen und romantischen Straßenkaffees gezierte Altstadtquartier, lädt
zu einem gemütlichen Einkaufsbummel geradezu ein. Hübsche Auslagen in den
Schaufenstern der Geschäfte und Boutiquen verführen die Touristen, und auch
wir schlendern die Straße hinunter, machen bei der weltberühmten Dampfuhr
natürlich einen Fotostopp und warten, bis die mit Dampf betriebenen Rohre
die Stunde schlagen. Und weiter geht’s, bis zum Denkmal des Gassy Jack.
Dieser Kerl, so sagt man, soll der eigentliche Begründer Vancouvers sein.
Als die Stadt noch zur Hauptsache aus Holzsägewerken bestand, und man aus
Sicherheitsgründen keinen Alkohol ausschenkte, verließen die meisten
Arbeiter nach einer gewissen Zeit die Stadt wieder, bis schließlich Gassy
Jack mit einem großen Fass Whiskey nach Vancouver kam, und die
Sägewerksleute mit dem köstlichen Nass beglückte. So soll er die Einwohner
Vancouvers sesshaft gemacht haben.
Unser nächster Besuch gilt Granville Island. Diese Insel diente früher der
Stadt als Industriequartier. Als das Inselchen dafür aber zu klein wurde,
verwaisten die Fabriken, und es siedelte sich allerhand Gesindel an. Dem
wirkte die Stadt jedoch gegen. Sie säuberte das Quartier und ließ es von
Boutiquen und Kunstateliers besiedeln. Das Prunkstück ist allerdings der
Farmers Market. Hier finden wir ausgesucht schöne Früchte, erstklassiges
Fleisch auch im Offenverkauf, exzellente Wurstwaren, und man könnte sogar
ein richtiges Brot mit Kruste, ganz nach unserem Geschmack erstehen. Aber
auch Kleidung, Blumen, Schmuck, Schuhe usw. sind in dieser Markthalle
erhältlich. So richtig erfrischend, nach dem Besuch der Chinatown.
Ein Besuch im Queen Elizabeth Garden darf natürlich auf unserer
Stadtrundfahrt auch nicht fehlen. Auf dem Weg dahin machen wir aber noch
einen kleinen Abstecher in die Ossler Straße. Hier haben sich bei der
Entstehung Vancouvers die ganz reichen Leute ihre Villen, oder gar fast
Schlösser hingebaut. Kapitäne, reiche Handelsleute und Eisenbahningenieure
residierten in diesen Prunkbauten, umgeben von phantastisch angelegten
Parkanlagen. Später, als sich einzelne Familien den Unterhalt dieser
Schlösser nicht mehr leisten konnten, fanden ausländische Botschaften darin
Unterschlupf. Wer sich allerdings heute in diesen Gemächern wohl sein lässt,
entzieht sich meiner Kenntnis.
Nun aber auf zum Queen Elizabeth Garden. Dieses Gartenarchitektonische
Meisterwerk liegt auf einem Hügel, dem höchsten Punkt Vancouvers. Seine
Gartenanlagen, und seine Blumenpracht begeistert zu allen Jahreszeiten, und
man findet, vor allem an Samstagen immer wieder Brautpaare, die vor dieser
traumhaften Kulisse ihre Fotos knipsen lassen.
Mit all den Eindrücken dieser schönen Stadt beschließen wir den heutigen Tag
und kehren zu unserem Campingplatz zurück. |
2. Tag
Nun soll es aber los gehen mit dem großen Abenteuer der
Wildnis. Kaum haben wir die Stadt verlassen, umgibt uns auch schon eine ganz
andere Landschaft. Zunächst sind es noch vereinzelte Bauerngehöfte mit
Viehzucht, Gemüse- und hauptsächlich Beeren-Anbau. Es werden vor allem
Blaubeeren angebaut, und für uns ist es natürlich interessant, zu sehen, wie
diese maschinell geerntet werden. Bald aber wird das Gelände wild und rau,
und für die Landwirtschaft absolut ungeeignet. Wir folgen dem unbändigen
Lauf des Frazer River. Den Namen hat der Fluss von Simon Frazer bekommen,
einem Abenteurer, der vor allem auf Wasserwegen das Land erforscht und auch
karteografiert hat. Bei Lytten zweigen wir ab und verfolgen nun den Zulauf
des Frazer River, den Thompson River. Dieser steht aber seinem Hauptfluss in
Punkto Wildheit kaum nach, bis sich das Tal bei 108 Miles, (so heißt der
Ort) dann doch weitet und große Weideflächen frei gibt. Davon wussten
natürlich auch schon die Indianer und die ersten Jäger und Fallensteller.
Und so entstand hier eine Wegkreuzung, der von allen beiden Teilen benutzten
Pfade, und bald darauf auch eine Tauschstation mit Herberge, Post- und
Telegrafenamt, Pferdestallung und sogar einer Stallung, wo man frische
Pferde gegen die müden Gäule austauschen konnte. Die einfachen Blockhäuser
werden vom Kanadischen Parkservice instand gehalten und können besichtigt
werden. Auch bei uns kommt dabei so ein bisschen Pioniergeist auf.
Allerdings kann man in der Herberge heute nicht mehr übernachten, und so
müssen wir denn noch ein Stück weiter fahren, bis zum herrlichen Lac La
Hache, wo wir unseren Campingplatz für die heutige Übernachtung finden. |
Ein Elch
(Bild von Thomas Schmidtkonz) |
3. Tag
Nach einem guten Frühstück geht die Fahrt weiter nach
Norden. Bei
Prince George stoßen wir auf den Yellow Head Highway. Hier im Norden
haben die meisten Straßen neben ihren Nummern auch Namen, und unter diesen
sind sie besser bekannt. Diese Straße hat den Namen eines blonden Indianers
bekommen, der wegen seiner Haare den Namen Gelber Kopf genannt wurde. Hier,
in Prince George haben wir das letzte Mal die Möglichkeit, unsere
Lebensmittel für die Wildnis zu ergänzen. Es ist nicht so, dass wir ab nun
hungern müssten, aber frisches Gemüse, Salat und Früchte sind ab jetzt nur
noch schwer zu bekommen und….sauteuer. Also schlagen wir bei Costco nochmals
so richtig zu. Dieser Gigant für Lebensmittel, sowie auch einem beschränkten
Hartwarensortiment ist jedes Mal auch für unsere Gäste ein Erlebnis.
Und weiter geht’s auf dem Yellow Head Highway nach Westen bis Vanderhoof.
Dort verlassen wir unsere Hauptroute und zweigen ab nach Norden, nach Fort
St. James. Nicht weil der Stuart Lake so einmalig schön wäre, und wir auf
dem Rest unserer Reise keine Seen mehr zu sehen bekämen. Nein, in Fort St.
James treffen wir auf eine alte Handelsstation der
Hudson's Bay
Company. Davon wollen wir aber morgen berichten. Der Tag heute war lange
genug, und wir genießen bei einem Nachtessen vom Grill an unserem Lagerfeuer
den herrlichen Sonnenuntergang. |
|
4. Tag
Gleich nach dem Frühstück fahren wir zum Fort und lassen
uns einmal mehr von der Vergangenheit einholen. Die Hudsons Bay Company ist
eine Englische Handelsgesellschaft. Sie besteht auch heute noch unter dem
Namen „The Bay“ und ist die älteste Handelsgesellschaft weltweit. Als in
Europa die Nachfrage für Pelze größer wurde, als das Angebot, beschloss
dieses Verkaufsunternehmen, die begehrte Ware aus Kanada zu beschaffen. So
erstellte sie an strategisch günstigen Orten, die mehr oder minder bequem
auf Wasserwegen zugänglichen waren, ihre Handelsposten. Fort St. James war
ein solcher Ort, und weil er besonders günstig lag, hat man ihn auch als
Verteilerstation für andere Posten ernannt.
Die Anlage ist tatsächlich in Form eines Fort erbaut, jedoch wohl kaum aus
Sicherheitsgründen. Die Hudsons Bay Company hatte zur Urbevölkerung ein
überaus gutes, freundschaftliches Verhältnis. Ihre Devise hieß: Gute Ware zu
angemessenen Preisen“. Sie haben die Indianer nie übervorteilt, und konnten
so auch immer mit deren Mithilfe rechnen.
Zunächst sehen wir uns einen Film an, der uns hautnah mit der damaligen
Lebensweise der Bewohner des Fort in Verbindung bringt. Danach können wir
sämtliche Gebäude besichtigen. Wir können uns frei bewegen, d.h. müssen
nicht an einer Führung teilnehmen. In den Gebäuden allerdings finden wir
junge Studenten, die in ihren Semesterferien hier etwas Geld verdienen. Sie
tragen die Kleidung von damals und „betreiben“ sozusagen die Anlage. Das ist
einesteils zum Schutz des Fort, damit allfälliger Vandalismus verhindert
werden kann. Für uns ist es aber auch zum Vorteil, denn die jungen Leute
geben gerne und gekonnt Antwort auf unsere aufkommenden Fragen.
Wir besuchen das Lagerhaus, wo die Tauschwaren sowohl der Hudsons Bay
Company, als auch die Pelze der Indianer und Trapper eingelagert wurden. Wir
statten dem Laden einen Besuch ab und erfahren, welche Gegenstände man hier
erstehen konnte, und zu welchen Preisen. Geld gab es damals noch nicht, und
so lernen wir auch, welche Zahlungsmittel man gebrauchte. Im Männerhaus
erfahren wir, dass die Fallensteller und Jäger auch hin und wieder hier
übernachteten, wenn sie mit ihren Fellen zum Tausch hierher kamen. Im
Fischhaus hängen auch heute noch Lachse, die hier getrocknet als
Wintervorrat an der Decke baumeln. Im Eishaus gibt es heute nichts mehr zu
sehen, aber wir können feststellen, wie geschickt es zwischen die anderen
Gebäude gebaut wurde, damit es im Schatten nicht zu sehr erwärmt wurde. Da
man weder Strom noch Kühlschrank besaß, hat man im Winter aus dem Stuart
Lake große Eisschollen ausgebrochen und darin eingelagert, um die
Lebensmittel möglichst lange haltbar zu machen. Das Eis soll, so sagt man,
nie gänzlich weg geschmolzen sein.
Äußerst interessant ist jedoch das Herrschaftshaus. Es ist ziemlich
großzügig gebaut, mussten doch darin eine ganze Anzahl Leute Platz finden.
Da war zunächst einmal der Vorsteher des Fort mit seiner Familie. Dazu kam
eine Schwester der Hausherrin, die ein uneheliches Kind besaß. Um der
Schande der Gesellschaft zu entfliehen, bot es sich natürlich geradezu an,
sich im Kanadischen Urwald zu verschanzen, und hier konnte sie mit ihren
guten Nähkenntnissen nützliche Dienste tun. Und dann war da auch noch das
Gemach des Priesters. Fern von jeder menschlichen Gesellschaft war es immer
nützlich, einen Geistlichen für alle möglichen Gelegenheiten zugegen zu
haben. Der Herr Pfarrer war ein Säufer, und war deshalb froh, dass man ihm
ein Zuhause anbot. Ja, und nicht zuletzt war da noch der Chinesische Koch.
Er hatte seine Kammer direkt neben der Küche. Nicht dass die
Herrschaftsfamilie gerne chinesisch gegessen hätte, aber die Chinesen
arbeiteten auch da schon besonders billig.
Direkt neben der Küche, und mit Zugang zu derselben, hatten auch die Hühner
ihr Domizil. Es wurde im Winter so grimmig kalt, dass die Hühner erfroren
wären, hätten sie sich nicht in der warmen Küche aufhalten dürfen.
Die Einrichtung des Herrschaftshauses ist recht komfortabel, und ich
wunderte mich auch, wie die gläsernen Fensterscheiben den holprigen
Transport auf Wasserwegen und Eselsrücken so unversehrt überlebt haben. Und
wieder einmal erstaunt der Einfallsreichtum dieser Menschen. Sie ließen sich
gut abgedichtete Holzkisten bauen, die sie mit Melasse füllten. Darin
versenkten sie die Glasscheiben, die so unmöglich zerbrechen konnten. Und
das „Verpackungsmaterial“ konnte man danach erst noch verspeisen.
Im Garten werden auch heute noch Gemüse, Salat und Blumen angebaut. Und wie
einst, beschützen die Vogelscheuchen die Ernte vor gefräßigen Flugobjekten.
Übrigens hatte das Fort auch etliche Indianer als Arbeitshilfe angestellt.
Diese wohnten allerdings außerhalb des Fort. Ihr Stamm heißt Carriers und
existiert noch immer. Den Namen haben sie durch ein etwas ungewöhnliches
Brauchtum erhalten. Es war nämlich bei diesen Leuten Sitte, dass wenn jemand
seinen Ehepartner verlor, ein großes Potlach gegeben werden musste, ehe
seine Asche vergraben werden durfte. Dies war nun aber gerade den Frauen
nicht immer möglich, und so waren sie gezwungen, die Asche des Verstorbenen
auf ihrem Rücken zu tragen, bis ihre Verpflichtung erfüllt war. Deshalb also
Carrier, oder zu Deutsch die Herumschlepper.
Nun, für uns wird es Zeit, zurück zum Yellow Head Highway nach Vanderhoof zu
fahren. Eine schöne und spannende Strecke, haben wir doch da auch schon
Bären gesichtet. Wir sind unmerklich immer mehr in die Wildnis Kanadas
eingetaucht, und dadurch wird natürlich auch die Möglichkeit immer größer,
dass wir Wildtiere zu Gesicht bekommen.
Unterwegs treffen wir auf Moricetown, auch ein Indianer-Ort. Hier hoffen
wir, die Einheimischen beim Fischfang anzutreffen. Diese Leute haben nämlich
ihr eigenes System, die Lachse zu fangen, eine Art, die auch nur ihnen
gestattet ist. Sie verwenden lange Speere mit Haken, mit denen sie die
Fische aufhaken. Dazu müssen sie in die steilen Felsen neben dem Wasserfall
klettern, und obwohl sie natürlich mit Seilen gesichert sind, ist das auf
den glitschigen Felsen doch ein eher riskantes Unterfangen.
Auch heute machen wir noch einen Abstecher, weg vom Yellow Head Highway,
nach Hazelton. Hier lebt der Indianerstamm der Ksan, und diese Leute haben
für den Tourismus ein Schaudorf erbaut, das uns sogar Zutritt in die Gebäude
gewährt. Leider dürfen wir aber in den Gebäuden nicht fotografieren, und
können deshalb davon keine Bilder zeigen. Sie erklären uns gern und voll
Stolz, zu was und zu welchen Gelegenheiten und Zeremonien die verschiedenen
Gegenstände im Innern der Gebäude verwendet werden. Für uns ist das
natürlich eine seltene Gelegenheit zu erfahren, was sich hinter den
verschlossenen Türen der Urbevölkerung tut, und die wollen wir
selbstverständlich wahrnehmen. Unser Campingplatz liegt gleich neben dem
Schaudorf, und wird auch von den Indianern betrieben. Er ist für indianische
Verhältnisse erstaunlich sauber. |
5.Tag
Auch heute müssen wir zunächst wieder zurück zum Yellow
Head. Den verlassen wir nun aber endgültig bei der Junction zum Cassiar
Highway. Dieser führt uns nun geradewegs nach Norden. Für mich persönlich
sind die 750 km, die uns nun direkt hinauf zum Alaska Highway führen, die
schönsten unserer Reise. Wir werden durch dichte Wälder, vorbei an
tiefblauen Seen durch Natur pur fahren, immer im Hintergrund begleitet von
den schneebedeckten Gipfeln des Costal Gebirges. Wir lassen uns denn für
diesen Traumabschnitt volle 3 Tage Zeit. Aber alles der Reihe nach.
Kurz nach der Verzweigung fahren wir ins Dörfchen Kitwangcool ein. Hier
finden wir eine Parade ganz alter und noch originaler Totempols. Lange Zeit
haben diese Pfähle im hohen Gras gelegen, und waren der Vermoderung
preisgegeben. Die katholischen Missionare haben den Kult mit den Totempols
verboten, weil sie glaubten, dass sie mit Götzentum in Verbindung gebracht
werden müssten. Heute weiß man es besser, und die alten Kunstwerke konnten
gerettet werden. In Wirklichkeit sind die Totempols eher mit unseren
Familienwappen vergleichbar. Sie zeigen an, aus welchem Clan eine Familie
stammt, was diese für Eigenschaften oder Hobbies hat, erzählen aber auch
Episoden, die im Familienclan einmal eine Rolle gespielt haben. So finden
wir denn gleich im nächsten Dorf einen Pfahl mit dem Namen „hole in the ice“,
das Loch im Eis. Dieser Pol wurde geschnitzt, nachdem ein Häuptling sein
Dorf vor dem Hungertode rettete. Er kam nämlich in einem besonders harten
Winter, als die Lebensmittel knapp wurden auf den Gedanken, man könnte ein
Loch ins Eis schlagen, und so versuchen, Fische zu fangen. Das beliebte
Vergnügen vieler Fischer, das Eisfischen war geboren, und ein ganzes Dorf
konnte gerettet werden.
|
Eine der vielen Blumen am Cassiar Highway im Frühsommer
(Bild von Thomas schmidtkonz) |
6. Tag
Heute Abend übernachten wir auf meinem
Lieblings-Campingplatz. Er liegt am Meziadin Lake, einem mit Wald umrahmten,
tiefblauen See mit einem reizenden, kleinen Inselchen, auf dem auch zwei
Biberpärchen hausen. Mit etwas Glück können wir sie am Abend oder frühen
Morgen aufs Festland zu schwimmen sehen. Sie kommen oft für Baumaterial,
oder aber auch, um sich am Schilfgras vor unserem Wohnmobil satt zu fressen.
Und auch hier haben wir im Hintergrund wieder die herrliche Kulisse der
weißen Gipfel des Küstengebirges.
Falls wir, was eher unwahrscheinlich erscheint, bislang noch keinem Bären
begegnet sind, dann wird es mit ziemlicher Sicherheit hier passieren. Der
Meziadin Lake Campground ist nämlich der einzige, uns bekannte Campingplatz,
auf dem die
Bären oft und gern spazieren gehen. Es steht deshalb auch immer eine
Bärenfalle einsatzbereit auf dem Platz, und der Müll ist sogar in einem
steinernen Gebäude fest eingeschlossen. Und trotzdem kommt Mama Bär so hin
und wieder mit ihrer Jungmannschaft über den Platz spaziert, und lässt sich
von den aufgeregten Fotografen überhaupt nicht stören. Es ist aber bislang
noch nie zu einem gefährlichen Zusammenstoß zwischen Mensch und Bär
gekommen, wohl auch deshalb, als sich die Zweibeiner bärengerecht verhalten
haben.
Für uns ist aber der Tag mit der Ankunft am Meziadin Lake noch nicht zu
ende. Nachdem wir uns eingerichtet haben, fahren wir mit dem Auto noch nach
Stuart und Haider. Das eigenartige Dorf Haider liegt gleich nach der Grenze
zu Alaska, und ist nur durch die Verbindung zu Stuart in Kanada, oder auf
dem Meer zu erreichen. Wir fahren aber nicht dahin, um schon einmal ein
Bisschen an Alaska zu schnuppern. Unser Ziel ist der Fishcreek, in dem fast
den ganzen Sommer die Schwärme der Lachse zu ihren Laichplätzen hoch
schwimmen. Und dies wissen natürlich auch die Bären. Wenn der Tag seinem
Ende entgegengeht, kommen die zottigen Kerle aus den Wäldern, um sich ihr
Abendbrot zu fischen. Und das ist natürlich ein Schauspiel, das wir uns
nicht entgehen lassen möchten. Allerdings sind wir nicht die Einzigen, die
von dieser Attraktion wissen, und so musste denn der Alaskanische
Parkservice einen Holzsteg erstellen, der den Zusammenprall zwischen Bären
und Touristen verhindern soll. Die Bären aber, wenn man sie in Frieden
fressen lässt, kümmern sich um die Gaffer überhaupt nicht, und wir hoffen,
ein paar tolle Bilder schießen zu können.
|
7. + 8. Tag
Leider können wir in Meziadin nicht bleiben, aber auch
die Weiterfahrt wird uns noch sehr viel Spannendes bieten. Wo wir heute
Abend jedoch übernachten werden, wissen wir noch nicht so genau. Wir fahren
ziellos, genießen die Landschaft, halten wo es uns gefällt, oder wo wir
gerade Bären sichten, und wenn wir genug vom Tag haben, halten wir einfach
an und richten uns für die Nacht ein. Es kann dies auf einem der vielen,
schön gelegenen Raststätten sein, es kann aber auch bei Toni auf seiner
Ranch sein. Toni ist ein Heimwehtiroler, den es hier an den Cassiar
verschlagen hat. Er fing ganz klein mit ein paar bescheidenen Holzhüttchen
an, seine Lodge aufzubauen. Heute steht da ein feudales Hotel mit
gemütlicher Gaststube, daneben sein Wohnhaus, weiter hinten sein erstes,
sehr schmuckes Blockhaus, das heute meist von seiner Verwandtschaft aus dem
Tirol bewohnt wird, eine äußerst rustikale Bar und dann eben seine ersten
Hüttchen, das eine umgebaut zu einer Sauna, und ein zweites als kleine
Kapelle. Das Ganze nennt Toni liebevoll „Klein Tirol“. Wenn wir nicht gerade
bei ihm auf seinem bescheidenen Campingplatz übernachten, so gehen wir doch
zumindest bei ihm Kaffee trinken. |
Coast Mountains am Cassiar
Hier beginnt eine absolute Wildnis
(Bild von Thomas Schmidtkonz) |
Unsere Wegstrecke bietet uns aber noch andere, größere
oder kleinere Highlights. Ob der eine nun diesen See besonders schön findet,
oder der anderen diese wilde Flusslandschaft, oder ob wir in dieser
Sumpflandschaft einen Elch entdecken können, oder zur Abwechslung einmal
statt einem Bären halt ein Füchslein , oder ob sich über uns gerade ein
Seeadler durch die Lüfte schwingt, wir genießen die Landschaft und halten
da, wo es uns gerade gefällt. Sicher aber in Jade City. Das Nest mit dem
hochklingenden Namen verdankt seine Existenz den großen Jadevorkommen in
dieser Gegend. Das Halbedelgestein wird ausgesprengt, und die Steinblöcke
werden direkt an der Straße verarbeitet. Ein Laden stellt auch die fertigen
Produkte aus, und wer weiß, vielleicht finden auch wir ein Kleinod, das wir
gerne als Andenken mitnehmen möchten. Ein Stückchen weiter oben am Fluss
wird auch noch nach Gold gegraben. Es befindet sich hier aber wohl kaum ein
größeres Vorkommen, und die Anlage ist auch entsprechend klein. Wir können
sie auch nur von der Straße her sehen, aber mit Gold und dem dazugehörenden
Rausch werden wir noch zur Genüge in Kontakt kommen.
Schließlich, am Abend des 8. Tages erreichen wir den Boja Lake. Dies ist nun
Fritzens Lieblingscamp, vor allem wenn Platz 22 frei ist. Von dem hat man
nämlich eine fantastische Sicht über den See und den dahinter liegenden,
weißen und grünen Hügeln. Weil unsere Tagesetappe nicht sehr groß war,
bleibt meist noch Zeit für einen kleinen Abendspaziergang. Nach dem langen
Fahren und Stillsitzen bestimmt eine angenehme Abwechslung. |
9. Tag
Leider geht die Wildnisstraße des Cassiar für uns heute
zu Ende. Wir fahren kurz vor Ende des Cassiar im
Yukon ein,
und treffen bei Junction 36 auf den
Alaska Highway.
Die Straße, heute schon fast Autobahn bringt uns schnell nach Watson Lake.
Dieser Ort ist für den Norden recht typisch, hat er doch weder
landschaftlich noch als Ort selber irgendeine Schönheit zu bieten. Er ist
halt eben ein Versorgungsort, der die Bevölkerung mit allem
Lebensnotwendigen eindeckt, oder Service Leistungen anbietet, so wie man das
im Norden meist findet. Allerdings hat sich
Watson Lake eine
eigene Attraktion geschaffen. Eine typisch nordamerikanische Verrücktheit,
wie sie eben nur auf diesem Erdteil möglich ist. Es ist der Tafelwald, der
zwischen der Hauptstraße und dem Visitorcenter steht. Angefangen hat diese
Kuriosität beim Bau des Alaska Highway. Damals waren tausende von Soldaten
beim Bau der Straße eingesetzt, und es gab darunter auch welche, die nicht
unbedingt ihren Dienst hier im Norden verbringen wollten, und es gab
natürlich auch Heimweh. Ein richtig heimwehkranker Soldat nahm eines Tages
einen Pfahl und heftete daran eine Tafel mit der Aufschrift seines
Heimatortes und der Meilenzahl bis dahin. Andere taten es ihm nach, und
heute bringt schon fast jeder Durchreisende seine persönliche Tafel an. Die
Stadt Watson Lake schlägt immer wieder neue Pfähle ein, wenn die alten
überfüllt sind. Nun, man kann davon halten was man will, ist halt eben
nordamerikanisch.
Hingegen wirklich interessant und aufschlussreich finde ich die Diashow und
die Fotoausstellung des Visitor Centers über den Bau des Alaska Highway.
Dieses gigantische Bauwerk wurde notwendig, als die Japaner während des 2.
Weltkrieges Pearl Harbour bombardiert hatten, und auch bereits auf zwei der
Aleuten Inseln gelandet waren. Da wurde den Amerikanern plötzlich klar, dass
sie zu ihrem nördlichsten Territorium überhaupt keine Landverbindung
besaßen. Noch bevor die nötigen Verträge mit Kanada abgeschlossen waren,
wurde in Windeseile mit dem Bau begonnen. Und ohne genauere Kenntnisse des
Geländes, nur durch vage Angaben von Indianern und aus Erkundungsflugzeugen
wurde in nur 8 Monaten und ein paar Tagen eine Verbindung mit den unteren 48
Staaten und Alaska hergestellt. Eine Gewaltleistung, die bei uns überhaupt
nicht denkbar wäre. Sicher war die 1942 fertig gestellte Straße nur ein
mittelprächtiger Karrenweg, nur mit Allrad und von Militärfahrzeugen
befahrbar. Seitdem wurde sie aber dauernd verbessert, und 1946 wurde diese
Schlagader des Nordens an Kanada abgegeben, und gleichzeitig wurde sie auch
für den Privatverkehr freigegeben. Auch Kanada verbessert den Highway
dauernd, begradigt, oder verkürzt die Streckenführung, sodass der Alcan
jedes Jahr kürzer und komfortabler befahren werden kann. Heute ist er eine
Schnellstraße, auf der jeden Sommer tausende Amerikaner mit ihren
Wohnmobilen in den Norden reisen, um auch einmal ihren jüngsten und
nördlichsten Staat kennen zu lernen. Durch diese Straße wurde Alaska an die
Zivilisation angeschlossen, aber sie hat wohl auch den Reiz und die
Unantastbarkeit des hohen Nordens für immer verändert.
Nun fahren wir zunächst ein Stück auf dem Alaska Highway, biegen aber
bereits bei Jak’s Corner wieder von ihm ab. Diesmal wählen wir die Richtung
nach Süden. Wir wollen zum Ausgangsort des ganz großen
Klondike-Goldrausches
des vorletzten Jahrhunderts, nach
Skagway. Wir fahren an
Carcross vorbei, dem Ort, wo die
drei Männer
herstammten, die 1896 in Dawson auf der Jagd am Bonanza Creek den
beachtlichen Goldfund gemacht hatten. Die Kunde des reichen Goldfundes eilte
wie ein Lauffeuer um die Welt. Schon im Herbst 1897 kamen die ersten
Schnellentschlossenen nach Skagway, dem Ausgangsort für die beschwerliche
Reise nach Dawson. Der ganz große Menschenandrang fand dann aber im Winter
1897-98 statt, als sogar Goldfiebrige von Europa und aus allen Ecken der
Welt in den Yukon strömten. Eine weltweite Wirtschaftskrise und die
Unkenntnis über das Gelände und die damit verbundenen Strapazen taten ihr
übriges, um auch handwerklich völlig Unbegabte und körperlich gänzlich
untaugliche Menschen in die eisige Kälte des Nordens zu locken.
Unser Bestreben ist es, diesen Wahnsinn ganz von Anfang an verfolgen zu
können. Deshalb übernachten wir an einem der vielen tiefblauen Seen, um
morgen mit dem Auto nach Skagway zu fahren, zum Anfangspunkt der
unmenschlichen Reise der damaligen Goldsucher. |
10. Tag
Die Fahrt nach Skagway ist bei schönem Wetter ein
einmaliges Erlebnis. Wir fahren über den Whitepass durch eine herrliche
Alpenlandschaft mit tiefblauen Seen und riesigen Felsen zur Passhöhe. Auf
der anderen Seite fällt die Straße dann steil ab und führt uns direkt in den
Fjord von Skagway. Dabei überqueren wir wieder einmal die Grenze zu Alaska,
denn das Hafenstädtchen liegt bereits wieder auf Amerikanischer Seite.
Der kleine Ort Skagway ist mit Absicht ganz im Styl jener Zeit gehalten, und
soll die Touristen in die Vergangenheit von damals führen. Die alten Gebäude
sind erhalten und geschickt renoviert worden, und neue Gebäude müssen im
alten Styl angepasst werden. Hier stoßen wir nun auf Schritt und Tritt auf
die Vergangenheit und werden über sämtliche Begebenheiten jener wilden Tage
orientiert.
Wir erfahren, dass es damals zwei Ausgangsorte für zwei verschiedene Routen
gab. Von Skagway ging man über den Whitepass, und von Dyea über den
Chilkoot Pass. Man
hat aber mit Absicht das Städtchen Dyea dem Zerfall überlassen, um sich
dafür besser auf Skagway konzentrieren zu können. So ist denn von Dyea außer
dem Friedhof und ein paar verrotteten Baumstämmen, die wohl einmal als
Fundamente für Häuser gedient haben, rein gar nichts mehr übrig geblieben.
|
Goldsucher-Treck auf den Golden Stairs am Chilkoot-Pass
im Winter 1897–98
(Bildquelle:
WIKPEDIA) |
Vor allem im Visitor Center erfahren wir, wie das Leben
in Skagway in jenen Tagen war. Es muss hier zugegangen sein, wie im
hölzernen Himmel. Schon die Ankunft mit den Schiffen war die Katastrophe,
wollten doch die Kapitäne so schnell als möglich wieder zurück zu ihren
Heimathäfen, um neue Ladungen Menschen hierher zu verfrachten. Das große
Geld winkte, und so ließ man den Passagieren nicht einmal die nötige Zeit,
um ihre Waren trocken an Land zu bringen. Ein Kapitän soll sogar seine
Passagiere völlig vom Schiff ins Wasser gejagt haben, weil er nicht auf die
nächste Flut warten wollte, um die Leute ordnungsgemäß vom Schiff aussteigen
zu lassen. Erst als die Passagiere mit Erschießen drohten, ließ sich der
Geldgierige überzeugen.
Einmal an Land, galt es nun, seine mitgebrachten Utensilien ins Trockene zu
bringen, denn in Skagway regnet es oft und viel. Es entstand also am Ufer
eine riesige Zeltstadt, die durch die vielen Menschen bald einmal einem
knöcheltiefen Morast glich. In der Stadt selber sah es auch nicht viel
besser aus. Dafür verkaufte man den Angekommenen die ihnen noch fehlenden
Ausrüstungsgegenstände zu sündhaft teuren Preisen. Die Kanadischen Behörden,
die die Grenze nach Kanada bewachten, waren dafür besorgt, dass jeder
Neuankömmling genügend Ausrüstung und Lebensmittel für ein ganzes Jahr
mitbrachte. Logisch, es gab ja im Hinterland nichts mehr zu kaufen. Es wurde
also vorgeschrieben, wie viel Zucker, Mehl; Kaffee, getrocknete Bohnen,
geräucherter Speck usw., aber auch wie viele Paar Socken, warme Unterwäsche
oder Streichhölzer, Kerzen, Goldpfannen oder Ersatzstiele für den Pickel
usw. mitgenommen werden musste. Kurz, der ganze Krimskrams wog eine ganze
Tonne, und auch der kräftigste dieser Burschen musste dafür 25 bis 30 mal
den Berg hinauf und wieder hinuntersteigen. Wenn wir hinauf zu den beiden
Pässen sehen, und ihren steilen Aufstieg betrachten, dann stehen auch uns
nicht Beteiligten die Haare im Nacken hoch.
Zu allem Überfluss hatte auch noch ein Gauner der allerübelsten Sorte die
Stadt fest unter Kontrolle. Sein Name war
William Randolph Smith,
aber er war nur unter seinem Spitznamen „Soapy Smith“ bekannt. Er nahm den
Neuankömmlingen auch noch den letzten Hosenknopf ab, und haute einen Jeden
übers Ohr, wo immer er nur konnte. So bot er z.B. einen Telegrafenservice
an, der den neu Angekommenen noch einmal die Möglichkeit gab, mit ihren
Daheimgebliebenen Kontakt aufzunehmen. Zwar verloren sich seine
Telegrafenkabel weit draußen im Ozean im Wasser, aber trotzdem brachte Soapy
Smith seinen Kunden prompt eine Antwort der Lieben daheim. Meist war dies
eine Bitte um Geld. Aber auch Geld konnte Soapy problemlos per Kabel
versenden.
Er vermietete auch ein Stück Straße zum Whitepass hinauf, auf der man mit
Pferden und Wagen seine Waren transportieren konnte. Dieses Stück war aber
so ausgetreten, dass die Pferde im Dreck stecken blieben und sich die Beine
brachen, und die Wagenräder sanken so tief ein, dass Achsen und Speichen zu
Bruch gingen. Man konnte sich aber bei Soapy auch für 2 Dollar ein Pferd
kaufen. Diese Gäule waren aber dermaßen alt und klapprig, und sie wurden
auch weit überladen, sodass kein einziges Tier die Passhöhe erreichte. Sie
stürzten auf dem schmalen Pfad zu tausenden ab, brachen vor Erschöpfung
zusammen, brachen sich die Beine und verendeten jämmerlich. So sammelten
sich denn in einer Talenge die toten, oder auch erst verendeten Gäule. Das
ganze Tal soll von Verwesung gestunken haben, und die Talenge bekam den
unrühmlichen Namen „Dead horse gulch“.
Soapy Smith besaß auch sämtliche Bordells und Bars, und die Freudenmädchen
standen unter seiner Kontrolle und mussten ihren Verdienst bei ihm
abliefern. So soll einmal einer der beklauten und beschissenen
Neuankömmlinge gesagt haben, dass es ganz bestimmt nur in der Hölle noch
schlimmer sein könnte.
Wegen der widerlichen Verhältnisse am Whitepass haben sich deshalb viele
Goldsucher für die Route von Dyea über den Chilkoot Pass entschlossen,
obwohl diese Route steiler und weit gefährlicher war. Wir sehen entsetzliche
Bilder des letzten Stücks vor der Passhöhe, und noch einmal überkommt uns
das blanke Grausen.
Als der Goldrausch schon fast seinem Ende entgegen ging, baute man noch eine
Eisenbahnlinie durch das schier unmögliche Gelände. Der Bau gestaltete sich
aber dermaßen schwierig, dass die Gleise erst fertig wurden, als der Ansturm
bereits seinem Ende entgegen ging. Heute wird das nostalgische Dampfbähnli
von den Touristen eifrig genutzt, tuckt es doch durch eine ungewöhnlich
schöne Landschaft die Berge hoch zum Whitepass.
Auch wir machen uns auf den Heimweg, diesmal im vollen Bewusstsein, dass vor
gut hundert Jahren über diesen Pass die Goldbesessenen mit ihrem ganzen Hab
und Gut dieselbe Strecke zu Fuß bewältigen mussten. Sie hatten wohl keine
Muse, die einmalige Landschaft zu genießen. |
11. Tag
Nun möchten wir natürlich wissen, wie es den Goldsuchern
nach dem Chilkoot- oder Whitepass weiter erging. Wir hatten gestern noch
erfahren, dass die meisten im Winter ihre Habe auf den zwei Pässen zusammen
getragen hatten, diese dann gebündelt und damit die steilen Abhänge zum Lake
Lindemann oder Lake Bennet hinunter geschlittelt sind. Dort angekommen, galt
es nun sich ein Boot oder etwas ähnliches zu bauen. Wenn man sich vorstellt,
dass da Pfarrer, Notare, Aerzte, kurz Leute, die noch nie einen Nagel oder
eine Säge in der Hand hatten, dass diese Leute nun also Bäume fällen, und
damit etwas Schwimmbares zimmern sollten. kann man sich ja denken welche
Konstruktionen dabei entstanden, und dass auch die Heiligsten die schönsten
Flüche von sich gaben. Als aber im Frühjahr das Eis aufbrach und die Seen
freigab, segelten oder ruderten tausende von einigermaßen schwimmbaren
Objekten über das Wasser in Richtung Norden. Damit war aber die Mühsal noch
nicht zu Ende. Die anschließenden Flüsse mit ihren Stromschnellen machten
den Leidgeprüften wiederum Schwierigkeiten, und über weite Strecken, die
einfach nicht beschifft werden konnten, mussten nun Ausrüstung und Boot
getragen werden. Es gab auch einige Schlüsselstellen, die schier
unpassierbar waren. Eine solche finden wir bei
Whitehorse, der Miles
Canyon. Diese entsetzlichen Stromschnellen brachten die meisten Boote zum
kippen, und wer wenigstens das Glück hatte, mit dem Leben davon zu kommen,
der verlor dabei doch seine ganze lebenswichtige Ausrüstung. So haben denn
viele auch hier ihre Habe über zwei Tage auf dem Rücken geschleppt, um nicht
alles zu verlieren. Heute ist der Miles Canyon entschärft. Und trotzdem
zieht das Wasser noch gewaltig, und nicht motorisierte Boote haben noch
immer ihre Mühe mit dem Zug des Wassers. Wir starren in die grünen, tiefen
Wassermassen und überlegen, wie viel Mehl, Kaffee und getrocknete Bohnen
wohl heute noch auf seinem Grund lagern.
In Whitehorse angelangt, gibt es nochmals etwas Interessantes zu sehen. Als
Dawson durch die Neuzuzüger immer mehr besiedelt wurde, hat man einen
Flussdampfer-Betrieb von Whitehorse nach Dawson eingerichtet. Ein solcher
Dampfer, die Klondike II wurde restauriert, und ist in Whitehorse als Museum
ausgestellt. Es ist wirklich lustig und interessant zu sehen, wie Passagiere
und Besatzung darauf gewohnt haben, wo und wie sie gespeist, aber auch wie
die Maschinen des Dampfers angetrieben wurden, welche Unmengen Holz
verbrannt werden mussten usw.
Nach Whitehorse zweigen wir wieder vom Alaska Highway ab nach Norden, direkt
nach Dawson, zum Kernpunkt des damaligen Geschehens. Bei den 5-Finger Rapids
gibt’s nochmals einen Stop. Diese Stromschnellen waren noch übler, als die
beim Miles Canyon. Ja, sie waren sogar so schlimm, dass selbst die
Raddampfer mit ihnen alle Mühe hatten, und diese zur Sicherheit mit dicken
Seilen vom Ufer her befestigt werden mussten.
Bei Moose und Mosquito machen wir unseren Kaffeestopp. Dieses typisch
nordische Kaffeestübli ist so originell, dass man den Leuten sogar ihren
scheußlichen Kaffee verzeiht. Danach geht’s dann aber nonstop nach Dawson.
Friedlich liegt das kleine Dörfchen am träge dahin fließenden Yukon und
träumt wohl von seiner großen Vergangenheit. Unser Campingplatz liegt auf
der anderen Seite des Flusses, und so setzen wir denn mit der Fähre über,
und richten uns erst mal für die Nacht ein.
Danach schiffen wir jedoch nochmals über den Fluss, und fahren hinauf zum
Don, von wo wir eine tolle Aussicht über
Dawson und die
dahinter liegenden Goldfelder haben. Wir sehen den Zusammenfluss von Yukon
und Klondike, und je nach Jahreszeit können wir auch einen tollen
Sonnenuntergang genießen. |
12. Tag
Für heute steht erst mal eine Stadtrundfahrt auf dem
Programm. Wir fahren zum Visitor Center und holen uns ein Tonband, das uns
nun mit dem Auto von einem Gebäude zum anderen führt. Das Ganze ist wie ein
Hörspiel gestaltet, das einem durch die Handlung so ganz nebenbei erfahren
lässt, zu welchem Zweck die Gebäude einmal dienten. Es zeigt, wie die Leute
damals lebten, welches ihre Interessen waren, was man käuflich erwerben
konnte, und welche Vergnügungsmöglichkeiten den Bewohnern damals geboten
wurden. So gab es z.B. schon damals ein Casino, das auch heute noch im
Betrieb ist, und außerdem jeden Abend drei verschiedene Vorstellungen eines
Cancan Theaters zeigt. Dieses Tingeltangel-Theater wollen wir übrigens heute
Abend besuchen.
|
Goldgräber warten auf die Registrierung ihrer Claims in
Dwason City
(Bildquelle:
WIKPEDIA) |
Es gab aber auch ein Theater für höhere Ansprüche wie
Musicals oder Schauspiele für die feinere Gesellschaft, die bald einmal nach
Dawson kam, als sich die Stadt immer mehr zivilisierte, und man mit einem
gewissen Standart und den entsprechenden Annehmlichkeiten einer modernen
Gesellschaft rechnen konnte. Es gab eine Bibliothek, ein Hotel, eine
Feuerwehr, natürlich eine Bank, und ein sehr feudales Haus des Gouverneurs,
der hier bald einmal eingesetzt werden musste, um nach Recht und Ordnung zu
sehen. Die rauen Sitten der Goldgräber mussten einem Gesetz unterworfen
werden, das nicht nur nach dem Faustrecht gehandhabt werden konnte. Wir
hören aber auf dem Tonband auch das Gespräch zwischen einem Vater und seinem
Jungen, wie sie am Ufer des Yukon auf das erste Dampfschiff im Frühjahr
warten. Es geht in diesem Gespräch darum, was der Dampfer wohl so alles
mitbringt. Frisches Obst und Gemüse, allerhand Waren aus der Zivilisation
des Südens, aber vor allem warten sie gespannt auf die Ankunft der Mutti mit
dem neuen Schwesterchen. Es zeigt uns dies deutlich, dass trotz der
Modernisierung von Dawson gewisse Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden
mussten. So mussten schwangere Frauen, die ihre Babies im Winter erwarteten,
mit dem letzten Schiff nach Whitehorse mitfahren, das im Herbst vor dem
Einfrieren des Yukon Dawson verließ. Es gab in Dawson noch immer keine
Entbindungsstation.
Durch die Neuankömmlinge wurde natürlich auch immer mehr Zivilisation nach
Dawson gebracht. Die vielen Bewohner Dawsons hatten auch ihre Bedürfnisse
wie Lebensmittel, Ausrüstungen für die Goldgräberei, Handwerker usw. Die
Händler, die nach Dawson kamen, verdienten unwahrscheinlich viel Geld, und
es folgten ihnen bald ihre Familien. Die feine Gesellschaft zog in Dawson
ein, und man sprach bald einmal vom Paris des Nordens. Für die zähen und
ausdauernden Burschen, die einstmals über den Chilkoot und Whitepass hierher
kamen, und hier in ihren selbst gebauten Blockhütten wohnten, für die gab es
bald einmal keinen Platz mehr. Das Gold wurde mittlerweile von großen
Companies mit riesigen Maschinen gewonnen, und die schmutzigen kleinen
Glücksjäger waren verpönt. Genauso erging es den Dirnen, die einst nach
Dawson kamen, um den Goldgräbern das Leben etwas zu versüßen. Inzwischen
wurde aber in Nome, etwas
weiter nördlich in Alaska ein neues Goldvorkommen entdeckt, und so zogen die
ersten Ankömmlinge Dawsons nach Nome, um dort ein neues Glück zu suchen.
Am Nachmittag fahren wir dann hinaus auf die Goldfelder. Wir haben gestern
schon vom Don aus die großen Geröllwürste gesehen, die sich überall über die
Goldfelder schlängeln, und wir haben erfahren, dass diese von den Dredges
stammen, die hier einmal am Wirken waren. Wir können auf unserer Fahrt eine
solche Dredge besichtigen, und uns einmal informieren, wie diese riesige
Goldwaschanlage funktioniert hat. Als nämlich den Leuten in Dawson das
mühselige von Hand graben und mit ihren Goldpfannen oder handbetriebenen
Sluceboxes zu langwierig wurde, kamen große Unternehmungen, kauften die
Claims der kleinen Goldgräber auf, und setzten diese Monster als
Goldwaschanlagen ein. Nun, das funktionierte folgendermaßen: Zunächst musste
man ein riesiges Loch buddeln, in das die Dredge hineinpasste. Dieses Loch
füllte man nun mit Wasser, und ließ die Dredge darin schwimmen. Am vorderen
Teil waren schwere, gusseiserne Schaufelbagger angebracht, die über ein
Förderband den Dreck ins Innere der Maschine führten. Dort wurde der Dreck
ausgewaschen und gesiebt, und das Geröll wurde, wieder mittels Förderband am
hinteren Teil der Dredge wieder ausgespuckt. Auf diese Weise verschob die
Dredge auch ihre „Badewanne“ nach vorn, und das schwimmende Ungeheuer
bewegte sich dadurch vorwärts. Und so entstanden denn auch die enormen
Geröllwürste, die um Dawson die Landschaft beherrschten. Allerdings kann auf
diesen Würsten, aus Mangel an Erde auch heute noch kaum ein Grashalm
wachsen. Das ausgeklügelte System dieser Dredges konnte jedoch mit einer
Besatzung von nur gerade 5 Mann betrieben werden. Einen Nachteil hatten
diese Goldwaschmaschinen jedoch trotzdem. Die größeren Goldklumpen, auch
Nuggets genannt, konnten von den Maschinen nicht erfasst werden, sie gingen
mitsamt dem Geröll buchstäblich durch die Maschen der Siebe. Nach diesen
Nuggets wird aber auch heute noch gesucht. Es sind meist Aussteiger, die in
den Steinwürsten danach suchen. Sie leben unter bescheidensten Umständen,
weit abgelegen von der Zivilisation in halb zerfallenen Baracken, beziehen
den Strom von ihren Generatoren und ihr fließendes Wasser ist meist nur der
nahe gelegene Fluss. Sie hoffen aber auch, dass sie beim Graben im Dreck
eines Tages auf noch nicht durchwühlten Boden gelangen, und dass da
vielleicht noch mehr Gold zu finden sei. Nun, reich werden diese Leute bei
ihrem Tun wohl nicht, muss man dabei erst noch bedenken, dass eine
Ausrüstung für diese Dreckarbeit gegen eine Million Dollars kostet.
Wir haben natürlich auch die Gelegenheit nach Gold zu waschen. Für weit
weniger Geld bekommen wir einen kleinen Sack Dreck und eine Goldpfanne, um
unser Glück zu versuchen. Mit etwas Geschick, und falls wir Erfolg haben,
werden die winzigen Goldplättchen in ein kleines Gläschen geschüttet, etwas
Wasser zum Auffüllen dazugetan (so sehen die Goldplättchen viel größer aus),
und wir dürfen das Ganze als Souvenir mitnehmen.
Und dann fahren wir auch noch zu der denkwürdigen Stelle, wo die drei Jäger
beim Geschirrwaschen den großen Fund gemacht haben. Ein bescheidenes
Flüsschen ist dieser Bonanza Creek, indem heute nur noch die Kieselsteine
wie Gold in der Sonne glitzern. Und dieser denkwürdige Ort hat vor über
hundert Jahren die ganz große Blüte nach Dawson gebracht. Fast nicht zu
glauben, und doch wahr. |
13. Tag
Nachdem wir gestern noch die Atmosphäre im Casino
genossen, und uns so richtig selber als Darsteller des Theaters jener Zeit
gefühlt haben, müssen wir das historische Städtchen am Yukon heute leider
verlassen. Vor uns steht eine Strecke, die sowohl eine einmalig schöne Fahrt
mit unvergesslichen Landschaftsbildern des Nordens verspricht, die aber
andererseits auch entsetzlich lange und strapaziös werden könnte. Dies alles
hängt erstens vom Wetter ab, ganz bestimmt aber auch von den
Straßenverhältnissen. Die strengen Winter des Nordens können den Straßen
halt schon ganz schön zusetzen, und da wir uns heute doch nur auf einer
unwichtigen Nebenstraße befinden, kann es durchaus sein, dass wir uns eher
auf einem besseren Bachbett vorwärts kämpfen müssen. Risiko, heißt das
Ganze, und da wir nun schon mal in Dawson waren, müssen wir ganz einfach
hier durch, um bei Tok wieder auf den Alaska Highway zu stoßen.
Also seien wir optimistisch, und nehmen wir den besseren Fall an. Noch auf
der Kanadischen Seite heißt unsere Straße „The top of the world“. Und dieser
Name ist nun einfach absolut zutreffend. Wie auf dem Gipfel der Welt fahren
wir auf einem Hügelgrat mit einer atemberaubenden Aussicht zu beiden Seiten.
Hier wird uns bewusst, was es heißt, die endlosen Wälder Kanadas. So weit
das Auge reicht, reiht sich Hügel an Hügel, und der Wald nimmt kein Ende.
Man kann seinen Augen fast nicht trauen.
Doch bald einmal erreichen wir die Grenze zu
Alaska. Eine kleine
Alphütte dient als Zollgebäude. Ab jetzt heißt die Straße Taylor Highway,
und war sie auf der Kanadischen Seite noch gepflastert, allerdings mit
tiefen Löchern, so ist sie ab sofort nun wirklich das Allerletzte, was wir
unserem Motorhome zumuten möchten. Fast nur im Schritt-Tempo lassen sich die
tiefen Gräben meistern, die meist von heftigem Regen geschaffen wurden. Zum
Glück sind es nur noch ca. 63 km bis nach Chicken, und von dort bis Tok
haben die Amerikanischen Behörden endlich die Straße gepflastert, nachdem
sie dies jahrelang immer nur versprochen hatten.
Ich sagte Chicken. Ja, nicht nur der Name des Ortes ist eher etwas
eigenartig, nein der ganze Ort ist mehr als skurril. Auch dieses Dorf war
einst eine Goldgräberstadt, und die Abenteurer wollten sie eigentlich nach
dem Alaskanischen Staatstvogel, dem Ptarmigan benennen. Da aber keiner so
richtig wusste, wie man das schreibt, hat man sich schließlich ganz einfach
auf Chicken geeinigt. Heute ist Chicken eine Ghosttown. Es wird aber auch
hier immer noch ein Bisschen nach Gold gesucht, und es sind deshalb auch
noch ein paar bescheidene Hütten bewohnt. Allerdings hat man für den
Tourismus ein lustiges kleines Dörfchen erschaffen mit einer chaotischen
Kaffeestube, einer Bar, und ein paar Andenken Geschäften. Das Ganze ist
äußerst primitiv und selbst gebastelt, aber irgendwie friedlich und
gemütlich. Chicken hat sogar einen Flugplatz und ein eigenes Postbüro.
Dieses ist aber so klein, dass höchstens die Posthalterin und eineinhalb
Kunden darin Platz finden. Dafür ist es mit viel Liebe und Blumen
geschmückt.
Von hier aus bis nach Tok ist
nun also die Straße gepflastert, und so Gott will vielleicht auch nach dem
letzten Winter wieder in Stand gestellt. Wir bekommen nun eine eindrückliche
Demonstration, wie es aussieht nach einem verheerenden Waldbrand in den
Wäldern des Nordens. Im Jahre 2004 hat hier ein entsetzlicher Waldbrand
gewütet, der über tausende von Quadratkilometern alles nieder brannte. So
weit wir sehen können, steht kein einziger Baum mehr, und nur schwarze Erde,
aus denen ebenso schwarze Baumstümpfe herausschauen erscheinen uns wie eine
Geisterlandschaft. Es ist uns unverständlich, dass die Natur in selbst
zerstörerischer Wut sich solchen Schaden antun kann. Man muss aber wissen,
dass diese Waldbrände von Zeit zu Zeit sogar notwendig sind. Denn in diesem
Unwegsamen Gebiet, wo eine Waldpflege schlicht nicht möglich ist, muss sich
die Natur selbst wieder einmal erneuern, und auch Schädlinge ausrotten. In
nur wenigen Jahren wird hier wieder neues und frisches Grün sprießen, das
einstige Dickicht wird durch lockeren, luftigen Wald ersetzt, viele
Vogelarten finden neue Nistplätze, und die Elche können sich am Grün der
jungen Bäume auch wieder besser satt fressen. So sind denn diese
Naturkatastrophen eigentlich eher Notwendigkeiten, ohne die ein gesunder
Wald gar nicht möglich wäre. Natürlich spreche ich hier nur von
unzugänglichem Wald, der von der Forstindustrie nicht genutzt werden kann.
Von Tok aus, nun wieder auf dem Alaska Highway, erreichen wir schnell einmal
unseren Übernachtungsplatz. Er liegt einmal mehr an einem See, dem Moonlake. |
14. Tag
Unsere heutige Tagesetappe wird uns zum Höhepunkt unserer
Reise führen. Es ist der
Denali
Nationalpark, der absolut einmaligste Naturpark, den ich kenne. Aber
alles der Reihe nach.
Zunächst einmal erreichen wir das offizielle Ende des Alaska Highways. Bei
Delta Junction geht das gigantische Bauwerk zu Ende. Die Fortsetzung von
hier nach Fairbanks bestand schon vorher. Kurz darauf stoßen wir auch auf
ein Stück der Alaska Pipeline, die über eine Strecke von 1100 Km das Öl von
Prudoe Bay, hoch im Norden Alaskas nach Valdez fließen lässt. In diesem,
ganzjährlich eisfreien Hafen wird das Erdöl dann in die großen Tanker
verladen und in alle Welt verschifft. Auch dies ist ein Meisterwerk der
Amerikaner. Sie verfügt über 12 Pumpstationen, von denen allerdings nur 8
genutzt werden. In einer Zeit von 38 Tagen fließt das schwarze Gold von den
Bohrfeldern zu seiner Verladestation. Wegen dem Permafrost mussten große,
technische Anstrengungen gemacht werden, um die Leitung nicht im Boden
versinken zu lassen, und man musste auch darauf achten, dass die Wanderungen
der Caribous nicht durch ihr unnatürliches Bestehen unterbrochen wurden.
Und weiter geht die Fahrt, vorbei an typisch Alaskanischen Lodges, wilden
und unkorrigierten Flussläufen, bis nach Northpole. In diesem Ort ist das
ganze Jahr Weihnacht. Jedes Kind in Amerika weiß, dass hier der Santa Claus
zuhause ist. Und so ist denn der ganze Ort auf Weihnacht ausgerichtet. Ein
riesiger Markt, indem man alles kaufen kann, was mit diesem Fest in
Verbindung gebracht werden kann, von der Weihnachtskugel bis zu den
Geschenken und Spielsachen, die jedes Herz der Kinder höher schlagen lässt.
Auch Santa ist hier jederzeit persönlich anzutreffen, und es ist auch für
unsere Gäste jedes Mal ein Spaß, wenn sie ihren Enkelkindern ein Foto
schicken können, auf dem sie selber mit Santa zusammen zu sehen sind. Und
natürlich wohnt auch Rudolph, das Rentier mit der roten Nase hier. In
Amerika kommt ja der Weihnachtsmann nicht mit einem Eselchen, sondern mit
einem Gespann von Rentieren, angeführt eben von dem Rudolph mit der roten
Nase.
Kurz hinter Northpole fahren wir in
Fairbanks ein. Diese
zweitgrößte Stadt Alaskas hat aber auch keine größeren Sehenswürdigkeiten zu
bieten, und so fahren wir zügig weiter.
Mit Fairbanks haben wir den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Nun
müssen wir abbiegen, in Richtung Süden. Noch einmal halten wir an bei dem
kleinen, schmucken Dörfchen Nenana. Ein herziges, mit Blumen geschmücktes
Blockhaus dient als Visitor Center. Auch die umliegenden Blockhäuser sind
reich geschmückt, und locken den Besucher zum Kauf von allen möglichen
Andenken. Daneben steht eine Fischfalle, deren Benutzung allerdings nur den
Ureinwohnern erlaubt ist. Sie benutzen im Winter immer noch die
Hundeschlitten, und da diese Zugtiere nur gefrorenen Lachs fressen, ist der
Bedarf entsprechend groß, und der Fangerfolg für die Indianer eine große
Erleichterung. Ganz aus der Nähe können wir die Funktion dieser Falle
studieren, und gleich daneben sehen wir, wie die Lachse zum Trocknen
aufgehängt werden, um sie auch auf diese Weise haltbar zu machen. |
Endlich erreichen wir den Eingang zum Denali
Nationalpark. Hier müssen wir den Fridolin zurücklassen, denn wir dürfen nur
mit einem Fahrzeug in den Park fahren. Ueberhaupt sind die Vorschriften für
diesen Park sehr streng. Um einen Campingplatz drinnen im Nationalpark zu
erhalten, muss man schon Wochen im Voraus eine Reservation machen. Diese
bekommt man aber nur für mindestens drei Nächte, und auch wenn man davon
nicht Gebrauch macht, wird der Platz nicht weiter vermietet. Man will damit
erreichen, dass nicht zu viele Fahrzeuge die Landschaft mit Abgasen belasten
und die Tiere stören. Aus dem gleichen Grund dürfen wir auch nur ein
einziges Mal hinein-, und nach unserem Besuch hinaus fahren. Im Park selber
gibt es aber kein Wasser, und unsere Jauche können wir auch nirgends
ablassen. Also müssen wir vor den Eintritt noch ein letztes Mal dumpen, und
dann ist absolutes Wassersparen angesagt. Natürlich könnten wir auch
außerhalb des Parks übernachten. Warum wir aber unbedingt hineinfahren
wollen, hat mehrere Gründe. Zunächst können wir nun eine volle Fahrstunde
auf eigene Faust bis zu unserem Camp fahren, und anhalten, wo immer wir Lust
haben, und wann immer wir etwas Interessantes oder wilde Tiere sehen.
Außerdem ist zu bedenken, dass wir morgen eine große Tour mit dem
öffentlichen Bus gebucht haben, die recht lang und strapaziös ist. Weil wir
aber schon eine Stunde Fahrzeit vom Eingang bis zu unserem Campingplatz
hinter uns haben, und auch am Abend diese Stunde sparen können, wird für uns
der Tag dann doch nicht so lang. Und zum Dritten ist die Landschaft am
Teklanika River einfach gigantisch und belohnt uns tausendfach für das
Wassersparen.
Also holen wir uns noch schnell im Visitor Center die Bewilligung und
Reservation für den Campingplatz und das Ticket für die morgige Fahrt zum
Wonderlake, und dann aber rein in’s Vergnügen.
Schon auf unserem Weg zum Teklanika Campground haben wir die Gelegenheit,
allerlei Wildtiere zu entdecken. Zu Beginn durchfahren wir ein Gebiet, wo
Elche sich gerne aufhalten. Also Augen auf! Auch die Schneehühner,
(Staatsvögel Alaskas) sind am Straßenrand oftmals sichtbar. Sie sind
allerdings durch den Schotter sehr gut getarnt, und oftmals sieht man sie
nur, wenn sie sich bewegen. Also nochmals Augen auf! Und wer ganz gut
geschulte Augen besitzt, kann sogar das Geweih eines Caribous entdecken, das
sich im Dickicht niedergelegt hat. Nun, wir können uns Zeit lassen, langsam
fahren und die Gegend genau unter die Lupe nehmen.
Nach geruhsamer Fahrt erreichen wir schließlich den Teklanika River, und
damit auch unseren Campingplatz. Fürwahr ein traumhafter Ort inmitten der
Wildnis. Voller Erwartung auf morgen beschließen wir den heutigen Tag. |
15. Tag
Wir haben keinen Stress. Wir haben die letzte Tour durch
den Park gebucht, damit wir die Abendstunden für die Tierbeobachtungen
nutzen können. Erfahrungsgemäß ist auch die erste Bustour, die angeboten
wird bereits zu spät, bis man das Gebiet erreicht, in dem die Bären zuhause
sind. Außerdem haben wir ja gestern bereits eine Stunde Fahrt zurückgelegt.
Aber um 11 stehen wir pünktlich an der Busstation.
Zunächst fahren wir durch ein Gebiet, wo oftmals Dall Schafe zu sehen sind.
Meist sind sie zwar hoch oben in den Bergen, und nur als kleine weiße Punkte
sichtbar. Aber schon bald fahren wir in das Gelände ein, wo sich gerne Bären
aufhalten. Wer immer etwas Interessantes aufspürt, darf laut rufen, und der
Buschauffeur hält an, prüft selber, und lässt den Fahrgästen auch
Gelegenheit, zu fotografieren. Toll, es ist schon fast unmöglich, hier keine
Bären aufzuspüren. Allerdings gibt’s hier nicht nur Bären, auch Caribous,
Bergziegen, Füchse und Groundsquirels (eine Art Murmeltier) finden hier ihre
Heimat, und mit großem Glück können wir sogar Wölfe entdecken. Schaut man in
die Lüfte, so kann man hier auch den Steinadler sichten, und auch Falken
sind keine Seltenheit. |
Reflection Pond im Denali Nationalpark
(Bildquelle:
WIKIPEDIA / Copyright 2002, Ryan Holliday. The original image can be
found at www.mountaininterval.org
) |
Wir haben kaum Zeit zu verschnaufen, schon präsentiert
sich uns das nächste Highlight. Und eh wir uns versehen, befinden wir uns
schon in Eielsen, dem längsten Stopp unserer Reise, wo wir unser Picknick
verzehren. Es gibt im ganzen Park nichts zu kaufen, und wir müssen unseren
Hunger aus dem Rucksack stillen. Aber die gigantische Sicht über Berge und
Täler entschädigt uns tausendfach dafür. Wir dürfen in herrlicher Luft unser
Mittagessen einnehmen, und können dabei sogar unten am Fluss vielleicht
einer Bärenfamilie zusehen. Auch bisher aufgekommene Fragen über das
Verhalten der Tiere und ähnliches, werden von geschulten Parkrangers
kompetent und geduldig beantwortet.
Nur selten allerdings sehen wir auch den Berg, der diesem Park seinen Namen
verliehen hat. Es ist der Mount Denali, oder bei uns besser bekannt als
Mount Mc Kindley. Denali, so haben ihn die Indianer benannt, was nichts
anderes heißt als „der Große“. Er ist der größte Berg der Rocky Mountains,
und gleichzeitig von North America nur, er versteckt sich im Sommer meist in
einer Wolke, ähnlich wie bei uns das Matterhorn. Aber…..man kann ja auch mal
Glück haben.
Nach unserer Mittagspause geht die Fahrt weiter in Richtung Wonderlake. Die
Landschaft verändert sich nun extrem. Auch die Vegetation wird wesentlich
anders, und wir fahren in ein Gebiet, das dem Elch sehr gefällt. Aber vor
allem reihen sich nun kleine Teiche und Tümpel aneinander, und wir finden
viele Biberbauten an ihren Ufern, und manchmal können wir auch den scheuen
Tieren beim Einsammeln ihrer Baumaterialien zusehen. Einen Biber in freier
Wildbahn zu beobachten ist doch recht selten, aber hier haben sich die Tiere
so sehr an die grünen Busse gewöhnt, dass sie sich kaum stören lassen bei
ihrer lebenswichtigen Tätigkeit.
Endlich erreichen wir den Wonderlake. Er liegt so idyllisch und verträumt in
der gigantischen Bergwelt der Rockies, dass man sich eigentlich nicht
wundert, warum er diesen Namen trägt. Seine Wasser sind so ruhig und glatt,
dass sich die Landschaft darin widerspiegelt, und auf einem Foto kaum zu
erkennen wäre, was nun unten und was oben sein sollte.
Nach einem kurzen Aufenthalt an diesem begnadeten Ort,
geht die Fahrt nun wieder zurück. Es gibt in diesem Park nur diese eine
Straße, die auch nur einen Bruchteil des Parks mit dem Auto zugänglich
macht. Man kann ihn allerdings erwandern, natürlich nur mit Bewilligung, mit
Rucksack, Zelt und Schlafsack und einer gehörigen Portion Mut wegen der
Bären. Allerdings möchte ich zur Verteidigung dieser Raubtiere unbedingt
festhalten, dass sie ungeheuerlich intelligent sind, schlau und
anpassungsfähig, und dass sie in der Regel dem Menschen eher scheu und
zurückhaltend begegnen. Gefährlich werden sie dann, wenn man ihnen zu nahe
tritt, oder sie gar mit Futter oder genüsslichen Gerüchen lockt. Meist ist
es ein Fehlverhalten des Menschen, das den Bären zu einem Verhalten zwingt,
das eigentlich seinem Naturell zuwider wirkt. Bedauerlich ist nur, dass der
Bär dann zumeist sein Leben lässt, und der fehlende Mensch sich sogar damit
noch brüstet.
Aber weg von diesen Gedanken. Wir genießen unseren Rückweg, obwohl wir
mittlerweile doch schon müde sind. Der Denali Nationalpark ist zu jeder
Jahreszeit ein Juwel der Natur, ob im Frühjahr mit seinen zarten
Alpenblumen, im Sommer mit seinem satten Grün oder im Herbst mit seinen
rostroten Tundra Sträuchern und seinem goldgelben Herbstlaub. Die Landschaft
versteht es, sich immer wieder zu ändern. Aber die Tiererlebnisse, sooft wir
den Park bereisen, sie sind immer wieder anders aufregend, die Begegnung mit
den Tieren immer wieder verschieden, und jedes Mal können wir eine neue
Erinnerung mit uns nach hause nehmen.
Auf unserem Heimweg wagen sich immer mehr Tiere aus ihren Gestrüppen in den
Abend hinaus, immer mehr erwachen Tundra und Taiga zum Leben, und wir können
uns kaum satt sehen an dem, was die Natur uns zu bieten hat. Der Abendhimmel
fängt an zu glühen, als hätte er Feuer gefangen, und die Berge zeigen ihre
scharfen Konturen, wie wenn jemand sie mit Bleistift nachgezeichnet hätte.
Das Eindunkeln in den nordischen Breitengraden dauert unendlich lange und
gibt uns Gelegenheit, es lange zu genießen.
Gefüllt mit Impressionen, unvergesslichen Erlebnissen, begeistert von der
Landschaft und todmüde kehren wir zu unserem Campingplatz zurück. Vielleicht
wird uns das Erlebte sogar in unsere Träume begleiten. |
16. Tag
Wir dürfen und sollten auch noch einen Tag hier bleiben.
Wie ich schon erwähnte, kann man nur eine Reservation für 3 Nächte in diesem
Park bekommen. Die Parkordnung kommt uns jedoch insofern entgegen, als wir
mit unserem gestrigen Billet zum Wonderlake heute unbegrenzt im Park die
Busse benutzen können, sofern uns ein Sitzplatz zur Verfügung steht. D.h.
wir können uns den nächsten Bus schnappen, aussteigen wo wir wollen, und
eine Wanderung nach unseren Wünschen unter die Füße nehmen. Groß ist die
Auswahl zwar nicht. Etwas Größeres braucht eine Bewilligung, Zeit,
Ausrüstung usw. und kleinere Wanderungen gibt es kaum. Man will einfach
nicht, dass der Mensch ungehindert in die Wildnis der Tiere eindringt, und
eigentlich ist das auch richtig so. Wir haben immer noch genügend
Möglichkeiten, uns ein wenig die Beine zu vertreten, nach der langen
gestrigen Busfahrt, und wir möchten noch einmal einen Blick in die einmalige
Bergwelt werfen. Morgen müssen wir dieses phantastische Naturparadies ja
leider ohnehin verlassen. |
17. Tag
Wenigstens können wir uns heute noch auf die Fahrt hinaus
aus dem Park freuen. Ein bisschen Wehmut liegt schon in unseren Herzen. Wir
nehmen uns Zeit, und hoffen noch auf ein paar schöne Tiererlebnisse.
Allerdings ist auch nach der Ausfahrt aus dem Park noch nicht ganz fertig
mit „Natur pur“. Alaska ist an sich ein Naturparadies, nur halt nicht mehr
ganz so konzentriert, wie im Denali Nationalpark.
Auch die heutige Wegstrecke gestaltet sich äußerst abwechslungsreich. Tiefe
Täler, Schluchten, weite Tundra-Landschaften, schneebedeckte Berge und
Gletscher, all das hat uns die Alaskanische Landschaft zu bieten, und auch
jetzt noch können wir jederzeit mit einer Begegnung mit Meister Petz
rechnen. Sogar kurz bevor wir in die Groß-Stadt
Anchorage einfahren,
muss man auf einen Elch gefasst sein. Das ist eben Alaska.
Hier in Anchorage erreichen wir nach längerer Zeit wieder den Pazifischen
Ozean. Dies eröffnet natürlich wieder eine ganz andere Perspektive der
Tierwelt. Zunächst aber wollen wir uns diese Alaskanische Metropole etwas
näher ansehen. Wir parkieren also die „Dicke Berta“ etwas außerhalb von
Anchorage in einem wunderschönen Camp in einem State Park, und machen uns
mit „Fridolin“ auf die Tour.
Auch hier muss man leider sagen, dass auch Anchorage eigentlich nichts
weiter zu bieten hat, als die übrigen Groß-Städte des Nordens. Hauptsächlich
ist auch diese Stadt eine Versorgungsstation der nördlichen Bevölkerung. Da
die Stadt aber auch das bequemste und meist genützte Anflugsziel der
Touristen ist, möchte man sich doch möglichst im besten Licht zeigen.
Deshalb besitzt Anchorage wenn auch einen kleinen, so doch immerhin einen
Stadtpark, den man zeigen darf. Und da in der kurzen Saison alle Blumen auf
einmal blühen, dürften manche Blumenparks der Welt Mühe haben, mit diesem
einen zu konkurrieren. Dabei macht es den Gärtnern gar nichts aus, auch
Gemüse wie Artischocken oder Kohl zwischen die Blumen zu pflanzen, und
meinen Peterlibedarf in Anchorage decke ich meist mit einer Ernte im
Stadtpark.
In Anchorage finden wir auch ein sehr aufschlussreiches Informationszentrum
über die Tierwelt, die in dieser Gegend zu finden ist. Nicht nur, dass diese
Tiere ausgestopft in voller Lebensgröße zu bewundern sind, nein auch ihre
Lebensgewohnheiten, Umfeld, Futter, Vermehrung, Tragzeit der Jungen und
Jahreszeit der Geburten, Wanderungen (Caribous, Wale, Lachse usw.) all dies
wird verständlich und anschaulich beschrieben.
Außerdem hat Anchorage ein informatives Museum über seine
Entstehungsgeschichte. Wir sind eigentlich nicht sonderlich interessiert an
Museen und finden auch, dass deren Besuche sehr Zeitaufwendig sind. Aber
dieses Museum zeigt sehr aufschlussreich den Anfang mit Indianern, ihrer
Lebensweise und ihren Behausungen, über die Erstbesiedlung von Weißen, den
Einfluss der Russischen Bevölkerung und deren Kirche, die Zivilisation,
verursacht durch den Alaska Highway bis hin zur heutigen gigantischen
Pipeline von Prudoe Bay nach Valdez. Dieses Meisterwerk der Technik wird
auch für den Laien sehr eindrücklich und verständlich erklärt, und zeigt uns
die Hindernisse und Hürden, die es bei diesem Bau zu überwinden galt. Nicht
zuletzt deshalb finden wir einen Besuch dieses Museums unbedingt
lohnenswert.
Eine andere Kuriosität von Anchorage ist sein Wasserflughafen. Es ist der
größte der Welt und liegt gleich neben dem Int. Airport. Eigentlich ist es
ganz natürlich, dass die Stadt einen so großen Wasserflughafen besitzen
muss, wenn man bedenkt, dass die Einwohner Alaskas weit verstreut in den
abgelegendsten Gebieten dieses Riesenstaates zuhause sind, und dass hier ein
Flugzeug meist wichtiger ist, als ein Auto. Viele Flugzeuge können aber
sowohl wassern, als auch landen, und man darf gar nicht erstaunt sein, wenn
einem auf der Straße plötzlich ein Flugzeug entgegen kommt.
Nun, für heute haben wir eigentlich genug vom Tag. Wir werden unsere nächste
Nacht im State Park außerhalb der Stadt verbringen, und morgen die letzten
Meilen im Motorhome nach Seward unter die Räder nehmen.
|
18. Tag
Kurz hinter Anchorage fahren wir durch ein Sumpfgebiet,
den March of Anchorage. Hier können wir eine Vielzahl von Wasservögeln
beobachten. Auch der Seeadler ist hier zuhause, und in den kleinen Bächlein,
die durch die Gezeiten des Meeres mal auf- und mal abfließen, finden wir
oftmals auch Lachse. Dann aber stoßen wir an’s Meer, genauer gesagt an den
Turn again. Dieser Meeresarm hat seinen Namen von Captain Cook erhalten. Als
der nämlich mit seiner Schiffsmannschaft einen Seeweg nach Osten suchte, und
auch glaubte, diesen hier gefunden zu haben, stellte er fest, dass es sich
auch hier wieder einmal nur um eine Sackgasse handelte, die den Weg nach
Osten nicht frei gab. Resigniert sagte er: „Let’s turn again“, „Lass uns
umkehren“, und dieser Name blieb dem Gewässer schließlich hängen.
Nicht nur unsere Straße, nein auch die Schienen der Eisenbahn, die am Ende
des Turn again nach Willet abbiegt, folgen seinem Strand, und nicht selten
finden wir Parkplätze, die eine wunderbare Aussicht über das Wasser und zu
den gegenüber liegenden Gipfeln freigeben. Am Beluga Point werden wir auf
alle Fälle anhalten, denn, wie der Name sagt, halten sich die Beluga Wale
gerne in diesen Gewässern auf. Nicht selten kann man ihre schimmernden,
weißen Leiber im Wasser entdecken, und ihnen dabei zusehen, wie sie
spielerisch im eiskalten Nass herumpflotschen. An der steil ansteigenden
Felswand auf der anderen Straßenseite finden wir außerdem sehr oft auch
weiße Dallsheep. Diese sonst sehr scheuen Tiere kommen hier öfters bis
hinunter zur Straße.
An den Flüsschen, die sich hier ins Meer ergießen, finden wir auch immer
wieder Fischer, die hier nach Lachsen angeln. Es ist halt schon so, die fast
noch unberührte Natur gibt vielen Tierarten einen Lebensraum, und wir können
überall und immer wieder frei lebende Tiere beobachten, sei es zu Land, zu
Wasser oder in den Lüften. Hier finden wir vielleicht einen Seeadler, der
sich auch gerne an den Lachsen gut tut, und dort schwimmt sogar ein Seehund
oder gar ein Otter, der uns mit seinen Späßen ergötzt.
Am Ende des Turn again verlassen wir nicht nur die Bahnlinie, sondern auch
das Meer. Hier steigt die Straße hinauf zum Summit Pass. Eine traumhaft,
liebliche Landschaft, in der wir nun wieder besser nach Elchen und Bären
Ausschau halten sollten. Auch das Porkypine (Stachelschwein) ist hier
zuhause. Allerdings sehen wir diese putzigen, stacheligen Vierbeiner meist
nur tot am Straßenrand. Sie wissen leider nicht, dass ihre Stacheln sie
gegen die Autos nicht schützen können.
Auf der Rückseite des Summit Passes fahren wir noch an zahlreichen Seen
vorbei. Sie alle sind natürlich voll von Lachsen, aber auch Forellen und
andere Leckerbissen schwimmen in ihrem Nass, und es ist deshalb kein Wunder,
dass die Alaskaner fast durchwegs in ihrer Freizeit dem Jagen und Fischen
frönen. Wer hier nicht im Einklang mit der Natur lebt und sich diese
Sportarten zum Hobby macht, ist hier wohl fehl am Platz.
Endlich erreichen wir Seward, unsere Endstation. Dieser Ort wurde nach dem
Senatoren Seward benannt, der die USA bewegte, Alaska den Russen abzukaufen.
Unser Campingplatz ist eher ungepflegt und Natur belassen, so wie es eben zu
Alaska passt. Dafür liegt er direkt am Meer, und wir haben eine schöne
Aussicht auf die Gegenseite der Bai mit ihren schneebedeckten Gipfeln. Es
herrscht eine eigenartige Stimmung auf dem Platz. Tische und Bänke stehen
entlang der Strandpromenade, und unzählige Feuerstellen werden von den
Campern rege genutzt. Ob Sonne oder Regen, kalte Winde oder wärmende
Sonnenstrahlen, die Menschen feiern den Sommer, genießen nach der langen
Dunkelheit der Winter die langen hellen Tage. Ganz besonders interessant
wird es natürlich, wenn gerade ein Seehund oder Otter zur Belustigung der
Zuschauer seine Show abzieht, oder wenn abends eines der Kreuzfahrtschiffe
den Hafen von Seward verlässt. Dies ist natürlich ein besonders gigantischer
Anblick, wenn die majestätischen Luxusdampfer ins Meer zurück schwimmen und
dabei ihre Lichterketten leuchten lassen. Da bleibt wohl kein Camper in
seinem Wohnwagen. Alle stehen sie am Strand und winken den vergnügten
Kreuzfahrtgästen Lebewohl. |
19. und 20. Tag
Zwar haben wir nun unser Reiseziel erreicht, der Urlaub
ist jedoch noch nicht ganz zu Ende. Die restlichen zwei Tage können wir in
diesem abwechlungsreichen Land noch gut nutzen. Bei wirklich gutem Wetter
ist es äußerst lohnenswert, eine Schifffahrt in die verschiedenen Fjords zu
unternehmen. Es ist bestimmt ein einmaliges Erlebnis, so viele Gletscher auf
einmal zu sehen, wie sie bis hin zum Meer fließen, und sogar hin und wieder
ihre Eismassen in die See stürzen lassen. Kalben, sagt man zu diesem
Ereignis, und die Kapitäne warten geduldig, bis die Gletscher den
Passagieren dieses Schauspiel zum Besten geben. Man kann aber auf einer
solchen Schifffahrt auch viele Meerestiere sehen. So steht denn auch ein
Besuch einer Seehundkolonie auf dem Programm, man sieht Orcas und
Humpbackwale, Otter, die manchmal aus lauter Menschenliebe die Schiffe
begleiten, und natürlich begegnet man auch den Puffins, diesen lustigen
Wasservögeln mit ihrem bunten Papageienschnabel, die weit besser tauchen als
fliegen können. Und so ganz nebenbei bietet auch die Küste immer wieder
tolle Ausblicke mit ihren zerklüfteten Felsgebilden.
Den zweiten Tag wollen wir nutzen mit einem Ausflug durch die Kenai
Halbinsel. Wir wollen den Russian River besuchen, den wohl bekanntesten
Lachsfluss, der auch bei Fischern in Europa einen wohlklingenden Namen
besitzt. Wenn gerade ein Lachsrun stattfindet, ist dieses romantische
Flüsschen pitschvoll mit den roten Leibern der Fische, die hier nach ca.
vier Jahren nach hause zurückkehren, um ihren Lebenszyklus zu erfüllen. Das
wissen aber natürlich auch die Bären, und es kommt nicht selten vor, dass
wir auch sie beim Fischen ertappen.
Eine kleine Wanderung führt uns zu ein paar Kaskaden und einem Wasserfall,
wo wir die Fische beobachten können, wie sie diese riesigen Hindernisse
überwinden. Ein einmaliges Schauspiel.
Am Abend fahren wir wieder zurück zu unserem Camp direkt am Wasser. Es ist
dies unser letzter Abend in einem herrlichen Naturparadies, und wir genießen
noch ein letztes Mal diese Wildnis. Morgen steht uns nur noch die Fahrt
zurück nach Anchorage zum Flughafen bevor. Ein etwas wehmütiger Abschied
einer unverdorbenen Landschaft, an die wir uns noch lange erinnern werden. |
|